Wir denken als Menschen viel zu häufig darüber nach, was heute ist statt darüber nachzudenken, was morgen sein sollte. Wir limitieren uns dadurch selbst.

Algen haben unglaubliche Möglichkeiten unsere Welt und das Klima zum Besseren zu verkehren. Lasst uns darüber nachdenken, Algen zu nutzen – und zwar im großen Maßstab.

Stefan Schmid

Co-Founder, Viride

Kernaussagen des Beitrags

  • Algen können so viel CO2 aus der Atmosphäre binden, dass die Klimaziele der EU-27 erreicht werden können [ohne Algen wird es eng] 
  • Algenzucht kann den Kalorienbedarf ganzer Kontinente sichern 
  • Wir müssen jetzt beginnen, Algen als Lösung im großen Maßstab voranzutreiben

„Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen“, welch wunderschönes Zitat eines bekannten Politikers. Dabei hatte Helmut Schmidt selbst genaue Vorstellungen einer geordneten Welt. Momentan befassen wir uns als deutsche, europäische, westliche und sogar als globale Gesellschaft intensiv mit der Frage, wie wir nachhaltig leben können. Klimaneutralität ist die Vision unserer Zeit. Pläne hierfür sind vereinbart, ob sie eingehalten werden ist fraglich und abhängig von der Geschwindigkeit, mit der wir den Ausstoß von CO2 reduzieren.   

Eine extrem spannende Frage der Klimaneutralität ist die Kompensation des Rest-CO2s. Also das „Einfangen“ von CO2-Äquivalenten aus der Atmosphäre, das wir nicht vermeiden können. Hierzu gehören voraussichtlich Teile der Landwirtschaft, des Schwerverkehrs wie Schiffe, LKW, Flugzeuge und der Industrie, wie z.B. Zement- und Aluminiumherstellung, die auch ohne Erhitzung durch fossile Energie Kohlenstoffe im Prozess emittieren. 

Wir müssen CO2-neutral, also Net-Zero werden, weil es sonst immer heißer wird. Es genügt nicht, auf ein Niveau von z.B. nur noch 10% des aktuellen CO2-Ausstoßes zu kommen. Denn selbst diese im Vergleich zu heute geringe Menge würde die Temperatur immer weiter steigen lassen. Net-Zero ist also kein Kann, Net-Zero ist ein Muss. 

 

Das Bild zeigt, wie extrem erfolgreich wir in den nächsten Jahren sein müssen, um bis 2050 CO2-neutral zu werden. Die dunkelroten „Carbon Removal Technologies“ im Schaubild sollen dabei aktiv CO2 aus der Atmosphäre entziehen, diese werden ab 2035, also erst sehr spät aktiviert. Wir sind überzeugt, dass Algen eine zusätzliche natürliche Technologie sind, um CO2 schon früher in signifikantem Umfang zu binden.   

Im Jahr 2019 verbrauchten die EU-27 in Summe 3,6 Gigatonnen (Gt) CO2. Alleine Deutschland hatte einen Ausstoß von 809 Millionen Tonnen CO2. Selbst kleine Länder wie die Niederlande hatten einen Ausstoß von 180 Millionen Tonnen. Wenn man nun davon ausgeht, dass wir ca. 75% dieses Ausstoßes durch grüne Technologien wie Solar, Wind, Wärmedämmung einsparen können (die EU plant eine noch höhere Reduktion um ca. 90%), dann verblieben immer noch ca. 1 Gt an CO2, die unsere 27 Länder pro Jahr in die Atmosphäre emittieren. Das ist irgendwie blöd und ein bisschen deprimierend. Aber keine Angst, die Lösung durch Algen steht in den Startlöchern.  

Algen sind super

Algen bilden schneller Biomasse als alle anderen Lebewesen, sie verdoppeln sich alle paar Tage. Sie sind essbar und enthalten Kalorien, oft über 3.000 kcal pro kg. Und gesund sind sie auch.

Wenn wir Deutsche versuchen würden, unser überschüssiges CO2 durch Algentechnologie wieder aus der Atmosphäre einzufangen, dann würde Deutschland dafür ca. 22.500 qkm benötigen. Das entspräche ca. 20% der Fläche, die wir derzeit für Ackerbau verwenden. Natürlich würden wir diese Fläche nicht in Deutschland nutzen – denn erstens sind unsere Flächen bereits sinnvoll genutzt und zweitens wachsen Algen (zum Glück) nicht sehr gut auf deutschen Äckern. Die dafür nötigen klimatischen Bedingungen würden wir gerne vermeiden. Wir müssten also in die Ozeane gehen oder mit offenen Becken in warmen, ungenutzten Regionen außerhalb von Europa arbeiten, z.B. in der Sahara. Eine Kooperation mit dem globalen Süden wäre nötig, würde dort Arbeitsplätze schaffen und unsere CO2-Problematik mildern – oder sogar lösen.

Okay, das klingt ambitioniert. Sollte man die Idee deshalb direkt verwerfen? Auf keinen Fall, denn jeder Hektar Algenzucht trägt dazu bei, dass wir das Net-Zero-Szenario überhaupt erreichen. Die Reality-Gap ist jedoch riesig. Die größten europäischen Algenproduktionen haben derzeit eine Anbaufläche von ca. 16 Hektar, also von 0,16 qkm. Das ist verschwindend gering im Vergleich zu dem, was notwendig ist.

Das Net-Zero-Diagramm der europäischen Kommission (oben) könnte durch ambitionierte Algenzucht also auch besser aussehen. Algen könnten den Net-Zero-Zeitpunkt früher erreichen und hätten zudem das Potenzial, die Klimaschraube zurückzudrehen. Denn wenn Algen mehr CO2 binden, als wir zusätzlich ausstoßen (net-negativ), dann reduziert sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre und es könnte auch wieder kühler werden.

Wäre es nicht großartig, wenn wir Algen so schnell zu einem Bestandteil unserer Klimastrategie machen würden, dass wir Net-Zero schon 2040 erreichen? Was spricht dagegen, dass auch andere Kontinente Algen als Lösung betrachten und mit einsteigen? Ein schöner Gedanke. 

Nicht ganz unwichtig wird die dabei die Frage, was wir mit 1.000 Millionen Tonnen Algen pro Jahr anfangen sollen. Ganz schön viel grüne Soße. Die besten Ansätze dafür sind solche, die Kohlenstoff dauerhaft binden und somit die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre reduzieren, also z.B. Baustoffe aus Algen, als Bioplastik zur Produktion von Fenstern, Türen, Stühlen, Maschinen, damit das CO2 dauerhaft gebunden bleibt.

Die zweitbeste Verwendung ist das Vermeiden von zusätzlichen Emissionen, also die Substitution fossiler Brennstoffe. In diesem Fall binden Algen Kohlenstoff aus der Atmosphäre, ihr Fettanteil wird umgewandelt in Kraftstoffe wie Diesel oder Kerosin, und dann wieder verbrannt. Der Netto-Effekt ist dabei Zero, also CO2-neutral. Denn das gewonnene (gebundene) CO2 wird einfach wieder gelöst. Aber immerhin wird die weitere Anreicherung der Atmosphäre mit CO2 verhindert. Somit könnten wir Schiffe, Flugzeuge, LKW CO2-neutral betreiben. Auch schon ziemlich cool. 

Oder aber, wir essen die Algen auf. Dass Lebewesen das gebundene CO2 dabei verstoffwechseln ignorieren wir für den Moment. Entweder würden also unsere landwirtschaftlichen Nutztiere sowie Fische oder aber wir Menschen die Algen essen. Ein Beispiel: Ein Erwachsener nimmt pro Tag statistisch ca. 3.500 kcal [krass, oder?] zu sich. Gesund wäre eine Ernährung mit 2.500 kcal. Wenn wir aus unterschiedlichen Algen unterschiedliche Stoffe produzieren, z.B. Omega-3-Öl aus Nannochloropsis oder Proteine aus Chlorella und Algensalat aus Ulva etc. mit einer durchschnittlichen Energiedichte von 3 kcal pro 1g Alge, dann hätte die EU mit einem Jahresbedarf von 400.000 Milliarden kcal einen Algenbedarf von nur 135 Millionen Tonnen; das heißt nur eine siebtel Gigatonne.    

Im Vergleich zur CO2-Herausforderung wäre die Ernährung durch Algen fast ein Kinderspiel.

Entsprechende Algenrezepte werden wir einmal separat sammeln und posten. 

 

Algen sind ein Lösungsweg

Zugegeben, das war wirklich groß gedacht. Aber warum auch nicht? Wenn wir als Gesellschaft, jede:r einzelne oder wir alle zusammen, diesen Lösungsweg einschlagen wollten, dann könnten wir es auch. Trauen wir es uns zu?  

Randnotiz: Die im Blog genannten Zahlen Daten Fakten sind nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert, für die Richtigkeit kann aber nicht garantiert werden. Weitergehende Fragen zu Kosten und Finanzierbarkeit können wir separat besprechen, nur soviel: Wenn wir es als Gesellschaft wollten, dann wäre es auch finanzierbar. Schließlich kosten Algen nicht nur, sie sind auch sehr wertvoll!

Wenn auch du nun eine Algenvision hast, dann freut uns das! Und dann sollten wir gemeinsam zur Tat schreiten; vielleicht auch mit der Politik. Aber den Weg zum Arzt, lieber Helmut Schmidt, den ersparen wir uns.  

Wir als Viride unterstützen den Weg zu Net-Zero und arbeiten jeden Tag aktiv daran, die Algentechnologie skalierbar net-negativ zu optimieren. Wenn wir damit erfolgreich sind, profitieren wir alle davon! 

Euer Viride Team

#Bleibt nachhaltig #Algae #GreenTech